Künstliche Intelligenz und Urheberrecht – Position von ProLitteris

01.10.2025 – In der Schweiz befasst sich das Parlament mit Anpassungen des Urheberrechtsgesetzes aufgrund einer Motion der Ständerätin Petra Gössi. Die Entwicklung generativer KI basiert oft auf intransparenter Selbstbedienung an urheberrechtlich geschützten Werken. Diese Praxis ist nach unserer Auffassung rechtswidrig und auch ökonomisch falsch. Alle brauchen Rechtssicherheit, faire Rahmenbedingungen und ein funktionierendes Marktumfeld. Das geistige Eigentum bietet erprobte Instrumente, von Einzelverträgen bis zu Kollektivlizenzen. Verwertungsgesellschaften wie ProLitteris können Tarife und Verteilungen sicherstellen. Mit Präzisierungen im Gesetz und Partnerschaften soll ein Markt für KI-Inhalte entstehen – mit Chancen für den Standort Schweiz. ProLitteris befasste sich vertieft mit generativer KI und äusserte sich im politischen Prozess im Hinblick auf eine Revision des Urheberrechtsgesetzes (URG).

A. Das Problem ist offensichtlich

1. Selbstbedienung: Bisher dominiert in der Entstehung und Nutzung von Systemen der generativen künstlichen Intelligenz (KI) ein massenhaftes und intransparentes, ungefragtes und unentschädigtes Nutzen von Werken und Leistungen.

2. Rechtsunsicherheit: Diese Praxis ist rechtlich unzulässig oder, je nach Konstellation und Rechtsordnung, umstritten. Die technische Machtausübung bedroht die menschliche Kreativität, ohne dazu legitimiert zu sein.

3. Marktdefizit: Das uferlose Abfischen von fremden Werken und Leistungen schädigt Urheber:innen, aber auch KI-Angebote. Denn auch diese arbeiten mit geistigem Eigentum und brauchen einen transparenten Marktplatz für Inhalte.

Anerkennen wir das Problem! Es mangelt an Rechtssicherheit, es fehlen Verhandlungen und Verträge und ein Ökosystem, das sich im Interesse aller Beteiligten fortentwickelt werden kann. Alle anderen bedeutenden Branchen kennen Fragen der Compliance (Rechtsbefolgung), der Differenzierung (Rechtsgeschäfte über Inhalte), der Nachhaltigkeit und Ethik (wie entsteht der Rohstoff von morgen?). Kreativität kann ersetzt und verdrängt werden, auch durch Maschinen, darauf muss man sich einstellen. Aber das geltende Recht und seine Vorzüge verdienen Respekt und Durchsetzbarkeit. Die Gesetze und die Praxis der KI-Systeme sind zum Schutz der Urheberrechte zu ergänzen. Das ist für die Schweiz als KI-Standort von Vorteil.

B. Das Urheberrecht hat Lösungen

1. Copyright kann Technologie. Das Urheberrechtsgesetz und die Praxis der Rechteverwertung sind bewährt und flexibel, für KI braucht es gesetzliche Präzisierungen zum Training (Lernverfahren für KI) und zum Retrieval (Echtzeitabrufe durch KI). Anpassungen für bestimmte Bereiche und Bedürfnisse sind möglich und gehören zur jahrzehntelangen Tradition des Urheberrechts, im Ergebnis stets zum Vorteil aller Beteiligten. 

2. Kollektivlizenzen. Namentlich erweiterte Kollektivlizenzen können zweckmässig adaptiert und verhandelt werden. Aus der obligatorischen Kollektivverwertung lassen sich die Instrumente der Tarife und Verteilungsreglemente entlehnen. So kann sich KI fast lückenlose Werke und Leistungen eines definierten Anwendungsbereichs sichern, zu sachlich angemessenen und überprüfbaren Kosten.

3. Verwertungsgesellschaften. Ergänzende Regeln im Urheberrechtsgesetz (URG) oder in der Verordnung können Standards, Auskunftspflichten und zusätzliche Anforderungen vorschreiben, um die Effizienz und Effektivität der KI-Lizenzen zu maximieren. Zum Beispiel funktioniert die Verteilung von ProLitteris für Medienhäuser und Medienschaffende nach dem einfachen Prinzip 50:50, womit Vertragsanalysen und Verteilungskonflikte vom Tisch sind.

Gestalten wir die Lösung! Es braucht massgeschneiderte Eingriffe ins Urheberrechtsgesetz (URG), so wie es frühere Technologien ebenfalls ausgelöst haben. Das Institut für Geistiges Eigentum kann diese Anpassungen mit fachlicher Kompetenz zielführend und ausgewogen entwerfen.

C. Lizenzen massschneidern

1. Gesetzliche Grundlage für die Rechte (Urheberrechte und Leistungsschutzrechte) und für die Form der Ausübung von Einwilligungen, differenziert als kollektives, gesetzlich vorgegebenes und individuelles Lizenzieren je nach Bereichen, z.B. für grosse Musik-, Film- und Verlagsproduzierende, für Künstlerinnen und Künstler, für journalistische und für wissenschaftliche Publikationen.

2. Lizenzmodelle massschneidern, unter anderem von Verwertungsgesellschaften und anderen Institutionen für Rechte und Rechtebündel. Einige Lizenzen sind allgemeingültig für fast alles, andere individuell-spezifisch für bestimmte Kategorien oder Inhaber:innen von Rechten, Werken und Leistungen. Bewährte gesetzliche Pflichten hinsichtlich Transparenz, Verhandlung, Genehmigung und Rechtssicherheit von Tarifen und Verträgen.

3. Privilegien für den Zugang zu nicht marktlichen Inhalten prüfen. Dies ohne Generalfreiheiten für Forschung, denn generative KI ist ein Produkt, nicht nur ein Erkenntnisgewinn, und tritt letztlich immer kommerziell und konkurrierend gegenüber menschlicher Kreativität und Kommunikation auf (Co-Finanzierung, Spin-offs, Markteintritt und Marktimpact).

Lizenzieren wir künstliche Intelligenz! Dank Partnerschaften und Verträgen entsteht ein Markt um KI-Inhalte, der sich international bereits abzeichnet. Es braucht flankierende Massnahmen zur Entstehung von Transparenz und zur Anwendung und Durchsetzung des schweizerischen Rechts mit Schutz des Standortes Schweiz. Ausnahmen von Bereichen aus dem KI-Training müssen möglich sein.