Erweiterte Kollektivlizenzen für Sammlungen
29.10.2025 – Eine Innovation im revidierten Urheberrechtsgesetz ist die erweiterte Kollektivlizenz. Sie funktioniert in der Praxis bisher vor allem im Zusammenspiel mit verwaisten Werken, deren Rechteinhabende nicht bekannt oder nicht auffindbar sind.
In zahlreichen Sammlungen und Archiven der Schweiz lagern Werkexemplare, oftmals in körperlicher Form, manchmal als Digitalisat, und die Trägerschaft der Sammlung möchte dieses Kulturerbe der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Früher stand solchen Archivöffnungen im Weg, dass man die Urheber:innen von Texten und die berechtigten Vertriebsorganisationen für audiovisuelle Werke nicht mehr kennt oder nicht mehr findet.
Für diesen Fall sieht der neue Art. 43a URG vor, dass eine Verwertungsgesellschaft wie ProLitteris eine allgemeingültige Lizenz erteilen darf. Sie hat einen bestimmten Anwendungsbereich, sachlich und zeitlich. Der Bundesrat erwähnte in seiner Botschaft von 2017 eine Plakatsammlung. Spielen wir ein Beispiel praxisnahe durch.
1. Besteht die Sammlung aus weniger als 100 Werkexemplaren, ist eine Recherche für die Rechte und ein Einholen der individuellen Einwilligungen zumutbar. Diese Abklärung darf sich auf das Befolgen einer Checkliste beschränken, die im Gemeinsamen Tarif 13 von ProLitteris formuliert wurde. Die Lizenzkosten betragen nach Tarif pro Objekt jährlich CHF 5, 10 oder 100 je nach Grösse, für jede Nutzung (Online, Offline etc.). Es gibt ein vorteilhaftes Bundle: Die preiswerte Pauschale deckt sämtliche Nutzungsarten für 10 Jahre ab, mit einem Rabatt von 75%.
2. Besteht die Sammlung aus mehr als 100 Werkexemplaren, ist aber die Recherche unverhältnismässig oder aussichtslos, so kann ProLitteris eine erweiterte Kollektivlizenz anbieten. Hier darf die Sammlung nebeneinander verwaiste und nicht verwaiste Werke umfassen. Die Lizenzkosten bis 1000 Werkexemplare entsprechen meistens dem Gemeinsamen Tarif 13 für verwaiste Werke, also für 10 Jahre und sämtliche Nutzungsarten für 1000 Objekte jährlich CHF 1000 für übliche Formate, am Extrembeispiel von 1000 Grossformaten (Plakate) jährlich CHF 20000. Ein Zuschlag von 20% kommt zur Anwendung, wenn nicht die Inhaberin des Bestandes Werke nutzen will, sondern z.B. ein kommerzielles Unternehmen oder eine Privatperson.
3. Noch einen Schritt weiter geht die erweiterte Kollektivlizenz, wenn es sich um mehr als 1000 Werkexemplare handelt: Grosse Archive und Sammlungen mit vielen Tausend Objekten. Für diese Archivöffnung gibt es bei ProLitteris einen zusätzlichen Rabatt. Die bisherigen erweiterten Kollektivlizenzen von ProLitteris für Gedächtnisinstitutionen orientieren sich am folgenden Vergütungsmodell (Abweichungen vorbehalten):
- Der Preis für die ersten 1000 Werkexemplare entspricht dem Tarif für verwaiste Werke, also für eine 10-Jahreslizenz und Objekte in Normalgrösse jährlich CHF 1 pro Werkexemplar.
- Für die nächsten 9000 Werkexemplare senkt das Konzept den Preis pro Objekt auf CHF 0.10. Auf diese Weise wird der Wille des Gesetzgebers umgesetzt, auch grosse Archivöffnungen zu ermöglichen.
- Für sehr grosse Sammlungen mit über 10000 Werkexemplaren ist für zusätzlichen Mengen ein zusätzlicher Rabatt denkbar, a) wenn ein wesentlicher Teil der Sammlung nicht (oder nicht mehr) urheberrechtlich geschützt ist oder b) wenn die meisten Rechte im Rahmen einer gesetzlichen Schrankenbestimmung kostenlos genutzt werden dürfen, c) wenn dafür die Rechte bereits individuell eingeholt wurden, oder d) wenn es sich um eine unwesentliche Nutzung ohne jegliche Bedeutung für die normale Verwertung durch die Rechteinhabenden handelt. In solchen Konstellationen zeigt sich der Versicherungseffekt der Kollektivlizenz: Man muss sich für die lizenzierten Nutzungen nicht mehr um rechtliche Abgrenzungen und Auslegungen kümmern. Ausserhalb dieser Sonderfälle sind die Lizenzkosten für alle Objekte ab einer Zahl von 1000 identisch.
ProLitteris entwickelt auf dieser Basis ein Standardangebot für Archivöffnungen und Sammlungen. Wir behalten uns abweichende Verträge und Flexibilität vor, damit der Einzelfall berücksichtigt werden kann. Die Verwertungsgesellschaften haben einen gesetzlichen Spielraum, um vernünftige und wirtschaftlich tragbare Lösungen zu vereinbaren. Angemessene Vergütungen beugen Opt-out-Erklärungen von Rechteinhabenden vor; – solche sind bis heute äusserst selten. Die Erträge mit verwaisten Werken und erweiterten Kollektivlizenzen sind bisher niedrig und kein «Geschäft», denn ProLitteris verteilt die Vergütungen restlos an die Urheber:innen und Verlage.
Haben Sie Interesse an einer erweiterten Kollektivlizenz oder möchten Sie verwaiste Werke nutzen? Haben Sie Input zum Vergütungsmodell? Bitte kontaktieren Sie uns über info@prolitteris.ch oder im Chat auf der Website von ProLitteris.