Tarife: Kopiervergütungen und andere Nutzungen
30.12.2025 – Im Jahr 2025 startete die Überarbeitung fast aller Tarife, die ProLitteris betreut. Grund genug, das Wesen der urheberrechtlichen Tarife und ihre Gliederung und Geschichte in Erinnerung zu rufen. Wir fokussieren uns auf die gesetzlichen Vergütungen, also jene Lizenzzahlungen, die sich direkt auf einen Anspruch im Urheberrechtsgesetz (URG) stützen. Tarife beantworten die Frage: Wer muss wieviel zahlen für welche Nutzung von Rechten an geschützten Werken und Leistungen in der Schweiz?
Was steht in den Tarifen? Tarife enthalten die Preise, Regeln und Abläufe, dank denen in der Schweiz und in Liechtenstein Werke und Leistungen genutzt werden können, die urheberrechtlich geschützt sind. Ohne Tarife müsste man Dutzende, wenn nicht Hunderte Lizenzen lösen oder Käufe tätigen. Juristisch handelt es sich um standardisierte Lizenzbedingungen mit allgemeiner Geltung. Die Entstehung und Anwendung der Tarife wird von Verwertungsgesellschaften verantwortet. Sie poolen Urheberrechte, um sie kollektiv – statt einzeln – zu verwerten. Das minimiert den Aufwand für alle Beteiligten.
Welche Tarife gibt es? Die meisten Tarife existieren seit Jahrzehnten. Ihr Anwendungsbereich reflektiert die Geschichte des Copyrights der letzten 30 Jahre. Die Tarife mit gesetzlichen Vergütungen sind nummeriert und anschaulich, aber auch rechtlich korrekt bezeichnet. Sie lassen sich am besten nach den Nutzungen unterscheiden. Die Gliederung nach Gesetzesbestimmungen ist komplizierter, lässt sich aber anhand der Dokumente nachvollziehen. Die Tarife sind auf den Websites der Verwertungsgesellschaften zu finden. Weitere Tarife einzelner Verwertungsgesellschaften, z.B. jene im Bereich der musikalischen Werke von SUISA, werden hier nicht erwähnt.
- Kommunikationsnetze. Die Tarife 1 und 2 betreffen das Weitersenden von Radio- und TV-Programmen. Ihre Entstehung geht auf die Zeiten der Gemeinschaftsantennen und der analogen Kabelnetze zurück. Die Erträge liegen bei über CHF 100 Mio. jährlich. Geschäftsführend ist Suissimage, welche auch den grössten Ertragsanteil behält, weil vor allem audiovisuelle Werke betroffen sind (Film-, Radio- und Fernsehproduktionen).
- Hintergrundnutzung und Speichermedien. Die Tarife 3 und 4 betreffen die öffentliche Wiedergabe und das private Speichern. Ladenflächen von Handels- und Dienstleistungsunternehmen, die Benutzer:innen von Hintergrundmusik ausserhalb des persönlichen Gebrauchs und die Importeure von Handy und Tablets sind vergütungspflichtig. Die Erträge liegen bei gegen CHF 50 Mio. jährlich. Geschäftsführend ist SUISA, welche auch den grössten Ertragsanteil behält, weil vor allem musikalische Werke betroffen sind (Tonträger, Musikdateien, Musikstreaming).
- Bibliotheken und Videotheken. Der Tarif 5 betrifft das Vermieten. Während das Urheberrechtsgesetz die kostenlose Leihe vergütungsfrei erlaubt, verlangt es eine Vergütung und einen genehmigten Tarif für alle Fälle, in denen für die Gebrauchsüberlassung eine Gegenleistung fliesst. Die Erträge liegen bei rund 500’000 jährlich. Geschäftsführend ist ProLitteris, welche auch den grössten Ertragsanteil behält, weil vor allem Bücher betroffen sind. Der Filmverleih ist stark zurückgegangen.
- Schulen und Organisationen aller Art. Die Tarife 7 (Nutzungen in Schulen) und 8 (Nutzungen in Organisationen) betreffen die Kopiervergütungen im Unterricht oder zur internen Information. Vervielfältigungen repräsentieren ein Kerngeschäft im Urheberrecht, das früher Reprografie genannt wurde und international verbreitet ist. Erfasst sind analoge und digitale Kopien. Die Erträge liegen bei je rund CHF 10 Mio. jährlich. Geschäftsführend ist ProLitteris, welche auch den grössten Ertragsanteil behält, weil vor allem Lehrmittel und Wissenschaft, Medien und Journalismus, Sachbuch und Fiction betroffen sind.
- Schweizerische Blindenbibliotheken. Der Tarif 10 betrifft Nutzungen durch Organisationen, die sehbehinderten Menschen Werke zugänglich machen. Die Erträge liegen jährlich unter CHF 100’000. Geschäftsführend ist ProLitteris, welche auch den grössten Ertragsanteil behält, weil es sich vor allem um Texte handelt, zum Beispiel für die Produktion von Hörbüchern und anderen Audiodateien.
- Replay TV. Der Tarif 12 betrifft zeitversetztes Radio und Fernsehen. Telekomunternehmen und Internetdienste ermöglichen ihren Konsumentinnen und Konsumenten das private Aufnehmen in einer multimedialen Applikation. Geschäftsführend ist Suissimage, welche auch den grössten Ertragsanteil behält, weil vor allem audiovisuelle Werke betroffen sind (Film-, Radio- und Fernsehproduktionen).
- Werke ohne klare Urheberschaft. Der Tarif 13 betrifft verwaiste Werke, also Objekte in Sammlungen, deren Rechteinhabende nicht bekannt oder nicht auffindbar sind. Die Erträge liegen weit unter jährlich CHF 100’000. Typische Nutzende sind Gedächtnisinstitutionen, Archive, Historikerinnen und Privatpersonen, die inventarisierte Objekte reproduzieren oder im Internet zugänglich machen. Geschäftsführend ist ProLitteris. Die Anteile der Verwertungsgesellschaften werden nach den konkreten Nutzungen bestimmt.
- Video on Demand. Der Tarif 14 betrifft das Angebot von Videostreams und Videodownloads. Das Gesetz geht hier einen besonderen Weg, indem nicht ein Nutzungsrecht, sondern bloss ein Vergütungsanspruch der Urheberinnen, Urheber und ausübenden Kunstschaffenden definiert wird. Geschäftsführend ist SSA, Société suisse des auteurs. Die Anteile der Verwertungsgesellschaften werden nach den konkreten Nutzungen bestimmt.
Die fehlenden Tarifnummern haben historische Gründe. ProLitteris vereinfacht Tarife und führt sie, wenn möglich, zusammen. Tarif 6 betraf früher Liechtenstein, ProLitteris hat ihn vor Jahren pauschal in Tarif 5 integriert. Tarif 9 betraf digitale Kopien, ProLitteris hat ihn vor Jahren mit Tarif 8 verschmolzen. Tarif 11 erlaubt den Sendeunternehmen die Nutzung von Archivwerken: Es findet in der Praxis ausserhalb der Kollektivverwertung auf vertraglicher Basis statt.
Was sind Gemeinsame Tarife «GT»? Gemeinsame Tarife sind mehreren Verwertungsgesellschaften gemeinsam. Sie machen einen One-Stop-Shop möglich. Das reduziert den Aufwand und die Bürokratie für alle Beteiligten. Beteiligt sind die vier Genossenschaften SUISA (Musik), ProLitteris (Text und Bild), Suissimage (Film) und SSA (Film und Bühne) sowie der Verein SWISSPERFORM (Interpreten- und Produzentenrechte). Geschäftsführend ist jeweils diejenige Verwertungsgesellschaft, deren Werkrepertoire am stärksten betroffen ist. Die anderen Verwertungsgesellschaften erhalten nach Daten und Schätzungen vereinbarte Anteile, je nach Bedeutung der Werkkategorien in der jeweiligen Nutzung von geschützten Werken und Leistungen.
Sind Tarife verbindlich? Die Tarife sind allgemein verbindlich, aus zwei Gründen. Erstens liegen die Urheberrechte bei den Verwertungsgesellschaften, genauso wie Bildrechte bei einer Agentur, Medieninhalte bei einem Verlag und Filmrechte bei einem Verleiher liegen können. Zusätzlich werden Tarife, für die das Gesetz Nutzungsfreiheiten definiert hat, von einer staatlichen Schiedskommission genehmigt, und die Verwertungsgesellschaften haben eine Bewilligung ihrer Aufsichtsbehörde. Vor der Tarifgenehmigung finden regelmässig Verhandlungen mit Branchenverbänden statt. Fast immer gelingt den Verantwortlichen und den urheberrechtlichen Expertinnen und Experten auf beiden Seiten eine Einigung. Die Tarife und ihre Qualität sind also mehrfach legitimiert. Ein Beispiel sind die Kopiervergütungen der Unternehmen, welchen der Schweizerische Gewerbeverband zugestimmt hat. Umgekehrt machte ProLitteris im Tarif Zugeständnisse, z.B. durch einen Verzicht auf Vergütungen für Unternehmen bis 14 Vollzeitstellen, sofern sie im Gewerbe, in der Industrie oder im Handel tätig sind.
Warum sind Tarife nützlich? Ohne Tarife müsste man sich die Erlaubnis für bestimmte Nutzungen aufwändig zusammensuchen. Die Gemeinsamen Tarife vereinigen die Werkkategorien mehrerer oder sogar aller Verwertungsgesellschaften, also Rechte an Texten und Bildern, an Audios mit Musik und/oder Sprache, an Filmen und Videos aller Art. Auf diese Weise zahlen nutzungsberechtigte Personen und Organisationen je Anwendungsbereich nur eine einzige Rechnung. Ohne Tarife wäre die Nutzung verboten oder mit rechtlichen Risiken behaftet. Von Verlagen und Autorinnen, Musikern und Filmemacherinnen müssten individuelle Lizenzen einzeln eingeholt und bezahlt werden.
Wieviel Ertrag generieren die Tarife? Die Erträge und die Anteile der fünf Verwertungsgesellschaften pro Tarif sind transparent auf der Website von Swisscopyright, dem Dach der schweizerischen Verwertungsgesellschaften: https://www.swisscopyright.ch/einnahmen-und-verteilung/geldfluesse/kennzahlen.html. Die Website der Verwertungsgesellschaften enthält auch Hinweise zu politischen Geschäften im Urheberrecht.
Wie werden die Vergütungen verteilt? Jede Verwertungsgesellschaft verteilt ihre Anteile an ihre Rechteinhabenden, die über Verwertungsverträge bei ihnen angeschlossen oder im Netz der internationalen Organisationen zusammenwirken. ProLitteris bewirtschaftet die gesetzlichen Vergütungen (obligatorische Kollektivverwertung) in sendenahen und in kopiernahen Tarifen und verteilt sie an Autoren, bildende Künstlerinnen, Fotografen, Verlage und weitere Rechteinhabende in einer jährlichen grossen Hauptverteilung. Die Hauptverteilung besteht aus den Verteilungen Print, Online, Broadcast. Sie unterscheiden sich danach, in welcher Form geschützte Werke veröffentlicht wurden und nutzbar sind. Massgebend ist das Verteilungsreglement, das vom Institut für Geistiges Eigentum genehmigt wurde und periodisch angepasst wird. 10 Prozent des Ertrags fliesst in Sozialleistungen und in die Kulturförderung. Im kleineren Umfang sorgt ProLitteris für rechtssichere Lizenzen für die Nutzung von Texten durch Sendeunternehmen (Verwertungsbereich Audio) und für die Reproduktion von Kunstwerken (Verwertungsbereich Art). Die ausländischen Rechte, die den Nutzungen in den schweizerischen Tarifen entsprechen, werden über Gegenseitigkeitsverträge eingesammelt und ebenfalls an schweizerische Urheberinnen und Urheber, Verlage und Kunstschaffende verteilt. ProLitteris arbeitet ohne Gewinn.